Zum Autor
Das Problem der Identität ist, dass man sie sich als das Ergebnis einer
Vergangenheit vorstellt. Dann gibt man sich viel Mühe, ihre Ecken zu schleifen
und die Kanten zu schärfen will man originell sein oder man sagt einfach
nichts Bewegendes, nichts wirklich Anstößiges. Geht es nach dem Status
Quo, stellt man sein Denken ein und lächelt dabei dämlich, spricht
wirres Zeug und lässt sich auf die Schultern klopfen. Kurz, man passt sich
an und wird unsichtbar wie eine Flunder.
Sogar der Zynismus ist mittlerweile Salonfähig. Was ist die Identität?
Zweifellos kann man ihre Existenz nicht leugnen genauso wenig die Vergangenheit
als einen dazu beitragenden Faktor. Ist es ein Zufall, dass flächendeckende
Unternehmungen stattfinden, die viel versprechende Selbsterfahrungs-, Selbstheilungs-
Selbstfindungsworshops bei Schamanen, Rückführern, Indischen Meistern,
Hausfrauen, Würdenträgern, Agenten usw. anbieten? Wäre das Elend
der Identität nur halb so groß, wäre der Spannungsbogen einfach
zu gering und man würde sein Geld lieber in Marschmelongs, Swimmingpools
und herumplanschende Gummienten investieren oder man sieht seinen Spaß
darin seine Zeit einer Solarzellen-Forschungsanlagen zu widmen.
Aber die Realität macht irgendwie einen anderen Eindruck. Man erahnt so
oder verspürt zumindest den Wunsch etwas tun zu müssen. Instinktiv
weiß man, dass man vielleicht besser dran wäre, könnte man etwas
Wirksames gegen all diesen Irrsinn tun, statt von der Unmenge an Angeboten erschlagen
auf einem Sofa zu verrotten. Irgendwie hält man es gerade noch aus um nicht
gleich das Handtuch zu werfen und trotzdem - wenn es um das seltsame Thema Identität
geht scheint keine Mühe groß genug zu erscheinen. Die Vorlagen des
öffentlichen Lebens tauchen in eine entrückte Matrix ab - weit jenseits
des Erreichbaren - dennoch kann man nicht anders als ihnen mehr oder weniger
zu folgen. Dieses Ding - nicht mehr als die Aneinanderreihung von gesellschaftlich-relevanter-halbwerts-Ereignissen
- Kindergarten, Abi, Diplom, Heirat und so weiter und so fort es kümmert
eigentlich niemanden? Dennoch wird hartnäckig daran fest gehalten. Als
würde man sofort ertrinken gäbe man diese Sache auf - vielleicht ertrinkt
man ja wirklich wenn man diese Standart Identität über Bord werfen
und sich stattdessen neu erfinden würde - einfach etwas weniger ängstlich
wäre doch schön oder?
von http://www.fernschreiber.com/autor/ |